Der erste Film und wie sein Erfinder verschwand

Dieses Bild zeigt auf seiner linken Seite Louis Aimé Augustin Le Prince, den Erfinder des ersten überlieferten Films und damit den Mann, um den es in diesem Artikel geht. Auf der rechten Seite steht «Riegger Productions Academy – Der erste Film und wie sein Erfinder verschwand». Im Hintergrund sind die 20 Frames zu sehen, aus denen der erste Film besteht. Das Ganze Anzeigebild ist in Schwarz-Weiss gehalten.
Am 16. September 1890 steigt ein Mann in einen Zug in Dijon, der ihn nach Paris bringen soll. Dort wird er aber nie ankommen. Was diese Geschichte mit dem ersten Film der Menschheit zu tun hat, erfährst Du in diesem Artikel.

28. August 1841 in Metz, Frankreich. In der Rue Saint Georges 13 darf sich ein Hauptmann der französischen Armee über die Geburt seines Sohnes freuen. Noch heute existiert die Strasse in der Altstadt von Metz, allerdings erinnert keine Gedenktafel an jenen Mann, der hier Mitte des 19. Jahrhunderts geboren wurde und ein Massenmedium des 21. Jahrhunderts als Pionier mitgeprägt hat. Doch alles der Reihe nach.

Eine schicksalhafte Freundschaft

Der Knabe, der da eben das Licht der Welt erblicken durfte, heisst mit vollem Namen Louis Aimé Augustin Le Prince. Er wächst in Frankreich auf und studiert später in Paris, Bonn und Leipzig, wo er sich der Physik und Chemie widmet. Es ist eine Zeit, in der er den englischen Ingenieur John Robinson Whitley kennenlernt und mit dem er sich anfreundet. In Folge dieser Freundschaft lädt Whitley Le Prince ins englische Leeds ein, um als Partner in der Giesserei seines Vaters zu arbeiten. Ein Angebot, das Le Prince annimmt.

Dieses Bild zeigt Louis Le Prince in den 1880er-Jahren. Es ist in Schwarz-Weiss gehalten.
Louis Le Prince in den 1880er-Jahren

So zieht der junge Franzose 1866 nach Leeds, wo er ins Familienunternehmen der Whitleys einsteigt und dieses unter anderem 1867 auf der Weltausstellung in Paris vertritt. Während dieses Lebensabschnitts lernt er vermutlich auch John Whitleys Schwester Elizabeth (kurz «Lizzie») kennen, eine Künstlerin, in die er sich verliebt und die er 1869 heiratet.

1874 eröffnen die beiden in Leeds die School of Applied Arts, die eine für die damalige Zeit ungewohnt praktische Kunstausbildung anbietet und es zu einiger Anerkennung bringt. Damals entwickelt Le Prince auch eine Technik zur Reproduktion von Fotografien auf Emaille, Keramik und Metall. Anfang der 1880er Jahre zieht die inzwischen vierköpfige Familie nach New York, wo Le Prince unter anderem mit bewegten Bildern experimentiert. Dort entwickelt er den Plan, eine Kamera zu bauen, mit der Bewegtbilder aufgenommen werden können. Im Zuge der Verwirklichung desselben kehrt er nach Europa zurück.

Als er nach Versuchen mit einer Kamera mit 16 Linsen feststellt, dass eine andere Lösung gefunden werden muss, geht er nach Leeds, wo er – die Infrastruktur der Whitleys im Rücken – mit der Arbeit an einer einlinsigen Filmkamera fortfährt. Seine Familie bleibt derweil in New York, da Le Prince nur für eine verhältnismässig kurze Zeit in Europa bleiben möchte. Allerdings verlängert sich sein Aufenthalt immer wieder und so werden aus einigen Monaten drei Jahre.

Die «Roundhay Garden Scene»: Der älteste Film der Welt

Doch der Aufwand lohnt sich. In Roundhay, einem Vorort von Leeds dreht Le Prince 1888 eine unscheinbare Filmszene in einem Garten. Diese Aufnahme, heute als «Roundhay Garden Scene» bekannt, gilt als der älteste überlieferte Film der Geschichte. In der Szene zu sehen sind die Schwiegereltern von Le Prince, Joseph und Sarah Whitley, sein Sohn Adolphe sowie Harriet Hartley, eine Freundin der Familie, die allesamt in besagtem Garten im Kreis laufen. Der überlieferte Film dauert gerade einmal zwei Sekunden und besteht aus 20 Frames. Vermutlich hatte das Original aber eine längere Laufzeit. Dass dieses historische Dokument überhaupt noch einsehbar ist, darf dem London Science Museum gedankt werden, das in den 1930er Jahren in weiser Voraussicht eine Kopie auf einer Glasplatte anfertigte. Das Original existiert heute nicht mehr.

Eine revolutionäre Kamera

Prunkstück des Erfolgs von Le Prince ist die von ihm gebaute Kamera. Das revolutionäre an dieser Apparatur war, dass es sich aus heutigen Gesichtspunkten im Grunde um eine moderne Filmkamera handelte, die mit einer einzigen Linse funktionierte und welche die Livebilder auf einem aufgerollten Papierfilm aufzeichnete. Fotos wurden in der Frühphase der Fotografie noch auf Glasplatten aufgezeichnet. Um den Schritt zum Film zu gehen, musste ein neues Speichermedium gefunden werden, da sich Glasplatten für filmische Aufzeichnungen als denkbar unpraktisch erwiesen.

Der von Le Prince verwendete Papierfilm wurde von einer im Kamerakasten verbauten Rolle abgewickelt, kurz belichtet und dann wieder auf diese Rolle aufgewickelt. Hier ist es wichtig, zu erwähnen, dass Le Prince gemeinhin nicht als Erfinder des Rollfilms gilt. Tatsächlich verwendete er für die «Roundhay Garden Scene» einen von George Eastman (Mitbegründer der Firma Kodak) entwickelten Rollfilm. Le Prince entwickelte vielmehr die oben beschriebene Filmkamera, also die Hardware, in welcher der Rollfilm von Eastman für filmische Aufnahmen verwendet werden konnte.

Es ist leicht, sich vorzustellen, wie bedeutend der Durchbruch von Le Prince in einer Zeit war, in der mehrere Erfinder mehr oder weniger parallel an einer solchen Filmkamera arbeiteten. Grössen wie Thomas Edison oder die Brüder Lumière feilten wie Louis Le Prince ebenso an einer solchen Maschine. Der entscheidende Vorteil, den Le Prince gegenüber seinen Konkurrenten aber hatte, war ein Enwicklungsvorsprung von mindestens 1–2 Jahren. Wie weit voraus er tatsächlich war, ist zu erahnen, wenn man sich ein anderes Filmdokument aus dem 19. Jahrhundert ansieht, dessen öffentliche Vorführung in Paris heute als ein wichtiger Meilenstein in der Gründungsgeschichte des Kinos angesehen wird. Die Rede ist dabei von dem Filmstück «Ankunft eines Zuges auf dem Bahnhof von La Ciotat». Dieser Film wurde von den Brüdern Auguste und Louis Lumière produziert und vermutlich irgendwann zwischen 1895 und 1896 einem ausgewählten Publikum in einem Café in Paris gezeigt. Doch so bekannt dieser Kurzfilm auch ist, er wurde wohl erst 7–8 Jahre nach der «Roundhay Garden Scene» gedreht.

Nur noch ein letzter Schritt bis zum Vollerfolg

Zurück in die 80er-Jahre des 19. Jahrhunderts. Le Prince gelingt also der Bau seiner Filmkamera und die beschriebene «Roundhay Garden Scene» sowie weitere Szenen entstehen. Als er das Patent für seine Erfindung hat, packt er seine Sachen und will die Neuheit in New York präsentieren. Zuvor fährt er aber noch zu seinem Bruder ins französische Dijon, um sich zu verabschieden. Nach diesem Besuch besteigt er dort am 16. September 1890 einen Zug und verschwindet spurlos.

Ein Kriminalfall?

Was war passiert? Le Princes Bruder erklärte später, dass er Louis nach seinem Besuch in Dijon zum Bahnhof begleitet habe. In Paris wollte Louis Le Prince offenbar mit einem befreundeten Ehepaar zusammentreffen. Bis heute ist ungeklärt, was damals genau passiert ist. Sicher ist, dass seine Frau Lizzie, die zu jenem Zeitpunkt in New York weilte, erst Wochen später von seinem Verschwinden erfuhr. Es ranken sich zahlreiche Theorien um das Verschwinden von Louis Le Prince. So wurde 1890 beispielsweise ein Toter aus der Seine geborgen, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Le Prince hatte. Aufgrund von Unstimmigkeiten beim Bartwuchs der beiden ist diese Theorie allerdings zweifelhaft. Denkbar ist auch ein Raubüberfall während der Zugfahrt oder später in Paris, bei dem der Erfinder sein Leben lassen musste und beseitigt wurde.

Was wurde aus der Erfindung?

Doch unabhängig vom verschollenen Erfinder an sich, stellt sich noch eine andere Frage: Was wurde aus seiner Erfindung? Nur einige Monate nach dem Verschwinden von Louis Le Prince kündigt der US-Amerikaner Thomas A. Edison seine erste grosse Filmvorführung an. Auch Edison, der ebenfalls an einer Filmkamera arbeitet, ist der Durchbruch gelungen und möchte seine Apparatur nun ebenfalls der Öffentlichkeit präsentieren. Elisabeth Le Prince ist darüber wenig begeistert, wartet sie zu diesem Zeitpunkt doch schon mehrere Jahre auf die Rückkehr ihres Mannes inklusive seiner neuen Filmkamera. Sie kontaktiert einen Anwalt, um zu prüfen, ob sie gegen Edison vorgehen kann. Allerdings gelingt ihr das nicht, weil ihr Mann – inzwischen über die US-amerikanische Staatsbürgerschaft verfügend – «nur» als verschollen und nicht als tot gilt und sie somit nicht für ihn und sein in England erworbenes Patent klagen kann. Erst nach dem Ablaufen der damals in New York geltenden Frist von 7 Jahren wird Louis Le Prince 1897 für tot erklärt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Thomas Edison mit seiner Erfindung allerdings schon durchgesetzt.

Quellen, die für diesen Beitrag verwendet wurden in alphabetischer Reihenfolge des Titels:

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Dieses Bild zeigt auf seiner linken Seite Louis Aimé Augustin Le Prince, den Erfinder des ersten überlieferten Films und damit den Mann, um den es in diesem Artikel geht. Auf der rechten Seite steht «Riegger Productions Academy – Der erste Film und wie sein Erfinder verschwand». Im Hintergrund sind die 20 Frames zu sehen, aus denen der erste Film besteht. Das Ganze Anzeigebild ist in Schwarz-Weiss gehalten.
Am 16. September 1890 steigt ein Mann in einen Zug in Dijon, der ihn nach Paris bringen soll. Dort wird er aber nie ankommen. Was diese Geschichte mit dem ersten Film der Menschheit zu tun hat, erfährst Du in diesem Artikel.

28. August 1841 in Metz, Frankreich. In der Rue Saint Georges 13 darf sich ein Hauptmann der französischen Armee über die Geburt seines Sohnes freuen. Noch heute existiert die Strasse in der Altstadt von Metz, allerdings erinnert keine Gedenktafel an jenen Mann, der hier Mitte des 19. Jahrhunderts geboren wurde und ein Massenmedium des 21. Jahrhunderts als Pionier mitgeprägt hat. Doch alles der Reihe nach.

Eine schicksalhafte Freundschaft

Der Knabe, der da eben das Licht der Welt erblicken durfte, heisst mit vollem Namen Louis Aimé Augustin Le Prince. Er wächst in Frankreich auf und studiert später in Paris, Bonn und Leipzig, wo er sich der Physik und Chemie widmet. Es ist eine Zeit, in der er den englischen Ingenieur John Robinson Whitley kennenlernt und mit dem er sich anfreundet. In Folge dieser Freundschaft lädt Whitley Le Prince ins englische Leeds ein, um als Partner in der Giesserei seines Vaters zu arbeiten. Ein Angebot, das Le Prince annimmt.
Dieses Bild zeigt Louis Le Prince in den 1880er-Jahren. Es ist in Schwarz-Weiss gehalten.
Louis Le Prince in den 1880er-Jahren

So zieht der junge Franzose 1866 nach Leeds, wo er ins Familienunternehmen der Whitleys einsteigt und dieses unter anderem 1867 auf der Weltausstellung in Paris vertritt. Während dieses Lebensabschnitts lernt er vermutlich auch John Whitleys Schwester Elizabeth (kurz «Lizzie») kennen, eine Künstlerin, in die er sich verliebt und die er 1869 heiratet.

1874 eröffnen die beiden in Leeds die School of Applied Arts, die eine für die damalige Zeit ungewohnt praktische Kunstausbildung anbietet und es zu einiger Anerkennung bringt. Damals entwickelt Le Prince auch eine Technik zur Reproduktion von Fotografien auf Emaille, Keramik und Metall. Anfang der 1880er Jahre zieht die inzwischen vierköpfige Familie nach New York, wo Le Prince unter anderem mit bewegten Bildern experimentiert. Dort entwickelt er den Plan, eine Kamera zu bauen, mit der Bewegtbilder aufgenommen werden können. Im Zuge der Verwirklichung desselben kehrt er nach Europa zurück.

Als er nach Versuchen mit einer Kamera mit 16 Linsen feststellt, dass eine andere Lösung gefunden werden muss, geht er nach Leeds, wo er – die Infrastruktur der Whitleys im Rücken – mit der Arbeit an einer einlinsigen Filmkamera fortfährt. Seine Familie bleibt derweil in New York, da Le Prince nur für eine verhältnismässig kurze Zeit in Europa bleiben möchte. Allerdings verlängert sich sein Aufenthalt immer wieder und so werden aus einigen Monaten drei Jahre.

Die «Roundhay Garden Scene»: Der älteste Film der Welt

Doch der Aufwand lohnt sich. In Roundhay, einem Vorort von Leeds dreht Le Prince 1888 eine unscheinbare Filmszene in einem Garten. Diese Aufnahme, heute als «Roundhay Garden Scene» bekannt, gilt als der älteste überlieferte Film der Geschichte. In der Szene zu sehen sind die Schwiegereltern von Le Prince, Joseph und Sarah Whitley, sein Sohn Adolphe sowie Harriet Hartley, eine Freundin der Familie, die allesamt in besagtem Garten im Kreis laufen. Der überlieferte Film dauert gerade einmal zwei Sekunden und besteht aus 20 Frames. Vermutlich hatte das Original aber eine längere Laufzeit. Dass dieses historische Dokument überhaupt noch einsehbar ist, darf dem London Science Museum gedankt werden, das in den 1930er Jahren in weiser Voraussicht eine Kopie auf einer Glasplatte anfertigte. Das Original existiert heute nicht mehr.

Eine revolutionäre Kamera

Prunkstück des Erfolgs von Le Prince ist die von ihm gebaute Kamera. Das revolutionäre an dieser Apparatur war, dass es sich aus heutigen Gesichtspunkten im Grunde um eine moderne Filmkamera handelte, die mit einer einzigen Linse funktionierte und welche die Livebilder auf einem aufgerollten Papierfilm aufzeichnete. Fotos wurden in der Frühphase der Fotografie noch auf Glasplatten aufgezeichnet. Um den Schritt zum Film zu gehen, musste ein neues Speichermedium gefunden werden, da sich Glasplatten für filmische Aufzeichnungen als denkbar unpraktisch erwiesen.

Der von Le Prince verwendete Papierfilm wurde von einer im Kamerakasten verbauten Rolle abgewickelt, kurz belichtet und dann wieder auf diese Rolle aufgewickelt. Hier ist es wichtig, zu erwähnen, dass Le Prince gemeinhin nicht als Erfinder des Rollfilms gilt. Tatsächlich verwendete er für die «Roundhay Garden Scene» einen von George Eastman (Mitbegründer der Firma Kodak) entwickelten Rollfilm. Le Prince entwickelte vielmehr die oben beschriebene Filmkamera, also die Hardware, in welcher der Rollfilm von Eastman für filmische Aufnahmen verwendet werden konnte.

Es ist leicht, sich vorzustellen, wie bedeutend der Durchbruch von Le Prince in einer Zeit war, in der mehrere Erfinder mehr oder weniger parallel an einer solchen Filmkamera arbeiteten. Grössen wie Thomas Edison oder die Brüder Lumière feilten wie Louis Le Prince ebenso an einer solchen Maschine. Der entscheidende Vorteil, den Le Prince gegenüber seinen Konkurrenten aber hatte, war ein Enwicklungsvorsprung von mindestens 1–2 Jahren. Wie weit voraus er tatsächlich war, ist zu erahnen, wenn man sich ein anderes Filmdokument aus dem 19. Jahrhundert ansieht, dessen öffentliche Vorführung in Paris heute als ein wichtiger Meilenstein in der Gründungsgeschichte des Kinos angesehen wird. Die Rede ist dabei von dem Filmstück «Ankunft eines Zuges auf dem Bahnhof von La Ciotat». Dieser Film wurde von den Brüdern Auguste und Louis Lumière produziert und vermutlich irgendwann zwischen 1895 und 1896 einem ausgewählten Publikum in einem Café in Paris gezeigt. Doch so bekannt dieser Kurzfilm auch ist, er wurde wohl erst 7–8 Jahre nach der «Roundhay Garden Scene» gedreht.

Nur noch ein letzter Schritt bis zum Vollerfolg

Zurück in die 80er-Jahre des 19. Jahrhunderts. Le Prince gelingt also der Bau seiner Filmkamera und die beschriebene «Roundhay Garden Scene» sowie weitere Szenen entstehen. Als er das Patent für seine Erfindung hat, packt er seine Sachen und will die Neuheit in New York präsentieren. Zuvor fährt er aber noch zu seinem Bruder ins französische Dijon, um sich zu verabschieden. Nach diesem Besuch besteigt er dort am 16. September 1890 einen Zug und verschwindet spurlos.

Ein Kriminalfall?

Was war passiert? Le Princes Bruder erklärte später, dass er Louis nach seinem Besuch in Dijon zum Bahnhof begleitet habe. In Paris wollte Louis Le Prince offenbar mit einem befreundeten Ehepaar zusammentreffen. Bis heute ist ungeklärt, was damals genau passiert ist. Sicher ist, dass seine Frau Lizzie, die zu jenem Zeitpunkt in New York weilte, erst Wochen später von seinem Verschwinden erfuhr. Es ranken sich zahlreiche Theorien um das Verschwinden von Louis Le Prince. So wurde 1890 beispielsweise ein Toter aus der Seine geborgen, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Le Prince hatte. Aufgrund von Unstimmigkeiten beim Bartwuchs der beiden ist diese Theorie allerdings zweifelhaft. Denkbar ist auch ein Raubüberfall während der Zugfahrt oder später in Paris, bei dem der Erfinder sein Leben lassen musste und beseitigt wurde.

Was wurde aus der Erfindung?

Doch unabhängig vom verschollenen Erfinder an sich, stellt sich noch eine andere Frage: Was wurde aus seiner Erfindung? Nur einige Monate nach dem Verschwinden von Louis Le Prince kündigt der US-Amerikaner Thomas A. Edison seine erste grosse Filmvorführung an. Auch Edison, der ebenfalls an einer Filmkamera arbeitet, ist der Durchbruch gelungen und möchte seine Apparatur nun ebenfalls der Öffentlichkeit präsentieren. Elisabeth Le Prince ist darüber wenig begeistert, wartet sie zu diesem Zeitpunkt doch schon mehrere Jahre auf die Rückkehr ihres Mannes inklusive seiner neuen Filmkamera. Sie kontaktiert einen Anwalt, um zu prüfen, ob sie gegen Edison vorgehen kann. Allerdings gelingt ihr das nicht, weil ihr Mann – inzwischen über die US-amerikanische Staatsbürgerschaft verfügend – «nur» als verschollen und nicht als tot gilt und sie somit nicht für ihn und sein in England erworbenes Patent klagen kann. Erst nach dem Ablaufen der damals in New York geltenden Frist von 7 Jahren wird Louis Le Prince 1897 für tot erklärt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Thomas Edison mit seiner Erfindung allerdings schon durchgesetzt.

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Am 16. September 1890 steigt ein Mann in einen Zug in Dijon, der ihn nach Paris bringen soll. Dort wird er aber nie ankommen. Was diese Geschichte mit dem ersten Film der Menschheit zu tun hat, erfährst Du in diesem Artikel.

28. August 1841 in Metz, Frankreich. In der Rue Saint Georges 13 darf sich ein Hauptmann der französischen Armee über die Geburt seines Sohnes freuen. Noch heute existiert die Strasse in der Altstadt von Metz, allerdings erinnert keine Gedenktafel an jenen Mann, der hier Mitte des 19. Jahrhunderts geboren wurde und ein Massenmedium des 21. Jahrhunderts als Pionier mitgeprägt hat. Doch alles der Reihe nach.

Eine schicksalhafte Freundschaft

Der Knabe, der da eben das Licht der Welt erblicken durfte, heisst mit vollem Namen Louis Aimé Augustin Le Prince. Er wächst in Frankreich auf und studiert später in Paris, Bonn und Leipzig, wo er sich der Physik und Chemie widmet. Es ist eine Zeit, in der er den englischen Ingenieur John Robinson Whitley kennenlernt und mit dem er sich anfreundet. In Folge dieser Freundschaft lädt Whitley Le Prince ins englische Leeds ein, um als Partner in der Giesserei seines Vaters zu arbeiten. Ein Angebot, das Le Prince annimmt.
Dieses Bild zeigt Louis Le Prince in den 1880er-Jahren. Es ist in Schwarz-Weiss gehalten.
Louis Le Prince in den 1880er-Jahren

So zieht der junge Franzose 1866 nach Leeds, wo er ins Familienunternehmen der Whitleys einsteigt und dieses unter anderem 1867 auf der Weltausstellung in Paris vertritt. Während dieses Lebensabschnitts lernt er vermutlich auch John Whitleys Schwester Elizabeth (kurz «Lizzie») kennen, eine Künstlerin, in die er sich verliebt und die er 1869 heiratet.

1874 eröffnen die beiden in Leeds die School of Applied Arts, die eine für die damalige Zeit ungewohnt praktische Kunstausbildung anbietet und es zu einiger Anerkennung bringt. Damals entwickelt Le Prince auch eine Technik zur Reproduktion von Fotografien auf Emaille, Keramik und Metall. Anfang der 1880er Jahre zieht die inzwischen vierköpfige Familie nach New York, wo Le Prince unter anderem mit bewegten Bildern experimentiert. Dort entwickelt er den Plan, eine Kamera zu bauen, mit der Bewegtbilder aufgenommen werden können. Im Zuge der Verwirklichung desselben kehrt er nach Europa zurück.

Als er nach Versuchen mit einer Kamera mit 16 Linsen feststellt, dass eine andere Lösung gefunden werden muss, geht er nach Leeds, wo er – die Infrastruktur der Whitleys im Rücken – mit der Arbeit an einer einlinsigen Filmkamera fortfährt. Seine Familie bleibt derweil in New York, da Le Prince nur für eine verhältnismässig kurze Zeit in Europa bleiben möchte. Allerdings verlängert sich sein Aufenthalt immer wieder und so werden aus einigen Monaten drei Jahre.

Die «Roundhay Garden Scene»: Der älteste Film der Welt

Doch der Aufwand lohnt sich. In Roundhay, einem Vorort von Leeds dreht Le Prince 1888 eine unscheinbare Filmszene in einem Garten. Diese Aufnahme, heute als «Roundhay Garden Scene» bekannt, gilt als der älteste überlieferte Film der Geschichte. In der Szene zu sehen sind die Schwiegereltern von Le Prince, Joseph und Sarah Whitley, sein Sohn Adolphe sowie Harriet Hartley, eine Freundin der Familie, die allesamt in besagtem Garten im Kreis laufen. Der überlieferte Film dauert gerade einmal zwei Sekunden und besteht aus 20 Frames. Vermutlich hatte das Original aber eine längere Laufzeit. Dass dieses historische Dokument überhaupt noch einsehbar ist, darf dem London Science Museum gedankt werden, das in den 1930er Jahren in weiser Voraussicht eine Kopie auf einer Glasplatte anfertigte. Das Original existiert heute nicht mehr.

Eine revolutionäre Kamera

Prunkstück des Erfolgs von Le Prince ist die von ihm gebaute Kamera. Das revolutionäre an dieser Apparatur war, dass es sich aus heutigen Gesichtspunkten im Grunde um eine moderne Filmkamera handelte, die mit einer einzigen Linse funktionierte und welche die Livebilder auf einem aufgerollten Papierfilm aufzeichnete. Fotos wurden in der Frühphase der Fotografie noch auf Glasplatten aufgezeichnet. Um den Schritt zum Film zu gehen, musste ein neues Speichermedium gefunden werden, da sich Glasplatten für filmische Aufzeichnungen als denkbar unpraktisch erwiesen.

Der von Le Prince verwendete Papierfilm wurde von einer im Kamerakasten verbauten Rolle abgewickelt, kurz belichtet und dann wieder auf diese Rolle aufgewickelt. Hier ist es wichtig, zu erwähnen, dass Le Prince gemeinhin nicht als Erfinder des Rollfilms gilt. Tatsächlich verwendete er für die «Roundhay Garden Scene» einen von George Eastman (Mitbegründer der Firma Kodak) entwickelten Rollfilm. Le Prince entwickelte vielmehr die oben beschriebene Filmkamera, also die Hardware, in welcher der Rollfilm von Eastman für filmische Aufnahmen verwendet werden konnte.

Es ist leicht, sich vorzustellen, wie bedeutend der Durchbruch von Le Prince in einer Zeit war, in der mehrere Erfinder mehr oder weniger parallel an einer solchen Filmkamera arbeiteten. Grössen wie Thomas Edison oder die Brüder Lumière feilten wie Louis Le Prince ebenso an einer solchen Maschine. Der entscheidende Vorteil, den Le Prince gegenüber seinen Konkurrenten aber hatte, war ein Enwicklungsvorsprung von mindestens 1–2 Jahren. Wie weit voraus er tatsächlich war, ist zu erahnen, wenn man sich ein anderes Filmdokument aus dem 19. Jahrhundert ansieht, dessen öffentliche Vorführung in Paris heute als ein wichtiger Meilenstein in der Gründungsgeschichte des Kinos angesehen wird. Die Rede ist dabei von dem Filmstück «Ankunft eines Zuges auf dem Bahnhof von La Ciotat». Dieser Film wurde von den Brüdern Auguste und Louis Lumière produziert und vermutlich irgendwann zwischen 1895 und 1896 einem ausgewählten Publikum in einem Café in Paris gezeigt. Doch so bekannt dieser Kurzfilm auch ist, er wurde wohl erst 7–8 Jahre nach der «Roundhay Garden Scene» gedreht.

Nur noch ein letzter Schritt bis zum Vollerfolg

Zurück in die 80er-Jahre des 19. Jahrhunderts. Le Prince gelingt also der Bau seiner Filmkamera und die beschriebene «Roundhay Garden Scene» sowie weitere Szenen entstehen. Als er das Patent für seine Erfindung hat, packt er seine Sachen und will die Neuheit in New York präsentieren. Zuvor fährt er aber noch zu seinem Bruder ins französische Dijon, um sich zu verabschieden. Nach diesem Besuch besteigt er dort am 16. September 1890 einen Zug und verschwindet spurlos.

Ein Kriminalfall?

Was war passiert? Le Princes Bruder erklärte später, dass er Louis nach seinem Besuch in Dijon zum Bahnhof begleitet habe. In Paris wollte Louis Le Prince offenbar mit einem befreundeten Ehepaar zusammentreffen. Bis heute ist ungeklärt, was damals genau passiert ist. Sicher ist, dass seine Frau Lizzie, die zu jenem Zeitpunkt in New York weilte, erst Wochen später von seinem Verschwinden erfuhr. Es ranken sich zahlreiche Theorien um das Verschwinden von Louis Le Prince. So wurde 1890 beispielsweise ein Toter aus der Seine geborgen, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Le Prince hatte. Aufgrund von Unstimmigkeiten beim Bartwuchs der beiden ist diese Theorie allerdings zweifelhaft. Denkbar ist auch ein Raubüberfall während der Zugfahrt oder später in Paris, bei dem der Erfinder sein Leben lassen musste und beseitigt wurde.

Was wurde aus der Erfindung?

Doch unabhängig vom verschollenen Erfinder an sich, stellt sich noch eine andere Frage: Was wurde aus seiner Erfindung? Nur einige Monate nach dem Verschwinden von Louis Le Prince kündigt der US-Amerikaner Thomas A. Edison seine erste grosse Filmvorführung an. Auch Edison, der ebenfalls an einer Filmkamera arbeitet, ist der Durchbruch gelungen und möchte seine Apparatur nun ebenfalls der Öffentlichkeit präsentieren. Elisabeth Le Prince ist darüber wenig begeistert, wartet sie zu diesem Zeitpunkt doch schon mehrere Jahre auf die Rückkehr ihres Mannes inklusive seiner neuen Filmkamera. Sie kontaktiert einen Anwalt, um zu prüfen, ob sie gegen Edison vorgehen kann. Allerdings gelingt ihr das nicht, weil ihr Mann – inzwischen über die US-amerikanische Staatsbürgerschaft verfügend – «nur» als verschollen und nicht als tot gilt und sie somit nicht für ihn und sein in England erworbenes Patent klagen kann. Erst nach dem Ablaufen der damals in New York geltenden Frist von 7 Jahren wird Louis Le Prince 1897 für tot erklärt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Thomas Edison mit seiner Erfindung allerdings schon durchgesetzt.

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